Vision eines tagträumenden ÖPNV Beförderungsfalls

Freier ÖPNV oder Buntfahren statt Schwarzfahren

von Rudolf Steffens
01.04.2019



Für den Nulltarif im ÖPNV einzutreten bedeutet, das Recht auf Mobilität zu ermöglichen, den sozialen Frieden zu erhalten, und nicht zuletzt den für die Lebensqualität der StadtbewohnerInnen bedeutsamen ökologischen Aspekt zu fördern.

Die zukunftsträchtige Vision eines freien ÖPNV, wie er u. a. als programmatisches Vorhaben der Piratenpartei und der Linkspartei projektiert ist, ( auch ein fahrscheinloser Verkehr ist nicht kostenlos; es entsteht in jedem Fall die Verteilungsfrage) wäre denn doch um einige, nicht unwesentliche Aspekte, die über das schnöde, jedoch lösbare Finanzierungsproblem ( City – Maut, Umlage, Steuer, Pendler – Werksverkehr) hinausgehen, zu ergänzen.

Für den Nulltarif im ÖPNV einzutreten bedeutet, das Recht auf Mobilität zu ermöglichen, den sozialen Frieden zu erhalten – ältere BremerInnen erinnern sich noch an die Straßenbahnunruhen, ausgelöst durch Fahrpreiserhöhungen im Jahre 1968 - und nicht zuletzt den für die Lebensqualität der StadtbewohnerInnen bedeutsamen ökologischen Aspekt ( Stichworte, Zurückdrängung des Individualverkehrs, Ressourcenschonung, Verbesserung des Stadtklimas) zu fördern.

Schließlich wären auch die nicht unerheblichen Kosten für den Kontroll- und Sanktionsaufwand einzusparen, die entstehen, wenn die Schwarzfahrerquote niedrig gehalten werden soll. Dazu sind auch die Aufwendungen zu addieren, die für die hoch subventionierten Sitz- und Schlafplätze im Hotel JVA Oslebshausen vom Steuerzahler aufgebracht werden müssen, wenn ertappte Schwarzfahrer die auferlegte Strafe nicht bezahlen können oder wollen. Die Kosten, die bei der Verhängung von Ersatzfreiheitstrafen verursacht werden, stehen in keinem Verhältnis zu dem angerichteten Schaden, der strafrechtlich nach wie vor als Betrug geahndet wird. ( vgl. WK Artikel vom 4.9.2018; durchschnittlich 10% der ca. 600 Insassen verbüßen Ersatzfreiheitsstrafen; 110 Euro kostet ein Hafttag).

Was würde die Vision eines freien ÖPNV beinhalten? Schon lange gibt es keine Schwarz(Weiß)- fernseher mehr, sie wurden durch Farbfernseher abgelöst, deren elektronisches Farbenspiel zum Lagerfeuer des 20. Jhdts. wurde, um das sich die Familienhorde nach getanem Tagewerk versammelt. Den notorischen Schwarzsehern (GEZ Vermeidern) wird durch die kürzlich eingeführte Haushaltsabgabe der Garaus gemacht. Bleiben als Schwarzseher die professionellen Pessimisten, deren düstere Prognosen, wie jedermann weiß, durch die glänzende Gegenwart, uns geht’s ja noch Gold, widerlegt sind. Und ob Farbkombinationen -koalitionen wie Schwarz – Blau oder Schwarz – Rot wirklich das Kriterium der Buntheit erfüllen, und geeignet sind, zur Lösung der dringlichen Probleme der Mehrheit der Bevölkerung beizutragen, sei dahin gestellt.

Und was ist mit dem gemeinen Schwarzfahrer? Wäre es nicht an der Zeit, alles wandelt sich, ihn ebenfalls im Zuge der allgegenwärtigen Modernisierung aller Verhältnisse als unzeitgemäß zu entsorgen. Aus Schwarz mach Bunt. Die Straßenbahnen und Busse der BSAG haben hier allerdings einen Vorsprung. Fahrende bunte Reklametafeln sind sie geworden. Da gilt es aufzuholen. Aus dem Schwarzfahrer muss der Buntfahrer werden. Fragt sich der/die geschätzte LeserIn, wie soll das gehen?

Nun, der Buntfahrer hat jederzeit das Recht zum Nulltarif die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen. Sie stehen ihm unentgeltlich zur Verfügung, um sein Recht auf Mobilität im städtischen Raum wahr zu nehmen. Stressfrei, geborgen, geschützt und komfortabel kann er durch die Stadtlandschaft reisen. Von seinem erhöhten, gepolsterten Sitz blickt er voller Genugtuung auf die genervten MIVs (Motorisierter Individualverkehr) und SUVS ( Sports Utily Vehicles) herab, die auf der vergeblichen Suche nach einem Parkplatz und überwiegend in Einsamkeit Runde um Runde durch die verstopften Straßen drehen und mit ihren Abgasen die Atemluft vergiften.

In geruhsame Lektüre versunken, macht er die Straßenbahn zu einem fahrenden Ableger der VHS, zu einem Ort der Bildung. Statt der fliegenden Kontrollettiteams sorgen Animateure für Unterhaltung, Kommunikation und Information. Theatergruppen nutzen die ÖPNVs als Bühne. Statt des Schaffners stehen stets freundliche und gut gelaunte Fahrgastbegleiter Hilfsbedürftigen zur Seite. Kurzum, die Fahrzeuge der BSAG als Wohlfühl- und Erlebnisbahnen, die die zu überwindende Distanz nicht als Hindernis, sondern als Zweck der Fahrt ermöglichen.

Der Buntfahrer, am Zielort angekommen, steigt mit einem Gefühl des Bedauerns aus, dass die Fahrt schon beendet ist. Also, Buntfahren für alle.

Nachschrift:
Dieser Text ist lange vor den tragischen Ereignissen in Utrecht entstanden. Den Opfern und Hinterbliebenen gilt meine/unsere Anteilnahme. Und der/die verständige LeserIn wird ihn hoffentlich so auffassen, wie er gemeint ist: eine Ansammlung von Gedankensplittern, die dem Denken in vorgegebenen Bahnen Anstöße versetzen will.

Weitere Gedankensplitter

 

Die neue Rolle der USA in der Weltpolitik und unsere Haltung dazu

von Rainer Dietrich

Zur Frage der Kontinuität US-amerikanischer Politik

von Peter Köster

America first ?

Zum Umgang mit unseren amerikanischen Freunden
von Helmuth Weiss