Bürgergeld


Bürgergeld: Abschaffung von Hartz IV oder Etikettenschwindel?

von Christoph Butterwegge*

Die Ampelkoalition verspricht, Hartz IV abzuschaffen und durch ein Bürgergeld zu ersetzen. Das ist Schönfärberei. Denn an der sozialen Härte von Hartz IV ändert die Reform nichts.

SPD, Grüne und FDP vermitteln den Eindruck, dass mit der von ihnen geplanten Einführung des Bürgergeldes die Abschaffung von Hartz IV verbunden sei. Um zu prüfen, ob das tatsächlich der Fall ist, muss Klarheit darüber herrschen, welche negativen Auswirkungen die Hartz-Gesetze hatten und ob sie von der Ampelkoalition beseitigt werden. Was bisher über die Pläne der potenziellen Koalitionspartner bekannt ist, lässt allerdings eher befürchten, dass es sich beim neuen Bürgergeld um eine Mogelpackung handelt. Offenbar sollen nicht einmal die Regelbedarfe des Arbeitslosengeldes II stärker erhöht werden, als es die Große Koalition kurz vor der Bundestagswahl am 26. September beschlossen hat.

Mit den Hartz-Gesetzen wurden zahlreiche Verschlechterungen für Langzeiterwerbslose sowie Geringverdienende und Arbeitsuchende eingeführt. Folgende neun Regelungen müssten zurückgenommen, abgeschafft oder geändert werden, um Hartz IV tatsächlich »hinter sich zu lassen«, was zumindest SPD und Bündnisgrüne versprechen.

»Das Bürgergeld wäre ein staatlicher Kombilohn, der es Unternehmen erleichtern würde, frühere Hartz-IV-Bezieher für wenig Geld anzuheuern.«

Erstens wurde die Höchstbezugsdauer des Arbeitslosengeldes (ALG I) auf 18 Monate verringert. Ferner wurde die Anwartschaftszeit, während der man Beiträge in die Arbeitslosenversicherung gezahlt haben muss, um Leistungsansprüche zu erwerben, verlängert. Außerdem wurde die Rahmenfrist, in der das geschehen sein muss, von drei Jahren auf zwei Jahre verkürzt.

Heute beziehen über zwei Drittel aller Erwerbslosen Hartz IV, nur ein knappes Drittel befindet sich im Versicherungssystem. Immer mehr Erwerbslose erhalten nie Arbeitslosengeld (ALG I), sondern gleich Arbeitslosengeld II – sie fallen also sofort in Hartz IV.

Deshalb müssten die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes (ALG I) und die Rahmenfrist über die seit 1. Januar 2020 geltenden 30 Monate verlängert werden. Die Anwartschaftszeit von zwölf (bzw. unter bestimmten Voraussetzungen sechs Monaten) sollte verkürzt werden, um bei einer größeren Zahl der Erwerbslosen zu verhindern, dass sie direkt in Hartz IV rutschen.

Zweitens forderte Gerhard Schröder in seiner Rede zur Agenda 2010 am 14. März 2003 eine » Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe«. Damit präsentierte er die zentrale Legitimationsformel für Hartz IV. Tatsächlich wurde am 1. Januar 2005 gar nichts zusammengelegt, sondern mit der Arbeitslosenhilfe zum ersten Mal seit 1945 eine den Lebensstandard von Millionen Erwerbslosen noch halbwegs sichernde Lohnersatzleistung abgeschafft. An deren Stelle trat mit dem Arbeitslosengeld II eine höchstens noch das soziokulturelle Existenzminimum sichernde Fürsorgeleistung, die als Lohnergänzungsleistung gedacht war.

Dies war der materielle Kern von Hartz IV, dem heute öffentlich kaum noch Aufmerksamkeit geschenkt wird. Es gab im Jahr 2004 etwa 2,2 Millionen Bezieherinnen und Bezieher der Arbeitslosenhilfe, die für Kinderlose 53 Prozent und für Eltern mit unterhaltsberechtigten Kindern 57 Prozent ihres letzten Nettogehalts vor der Entlassung betrug. Dass sich die Kinderarmut seit 2004 fast verdoppelt hat, ist im Wesentlichen auf die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe und den Bruch mit dem Lebensstandardsicherungsprinzip des bundesrepublikanischen Sozialstaates zurückzuführen.

Will man nicht zurück zu einer Lohnersatzleistung wie der Arbeitslosenhilfe aus den Zeiten vor der Einführung von Hartz IV, kann man den Lebensstandard von Langzeiterwerbslosen auch durch ein im Extremfall bis zur Rente gezahltes Arbeitslosengeld (ALG I) sichern, dessen Höhe sich gleichfalls nach dem letzten Nettoentgelt richtet. Wie bei der früheren Anschluss-Arbeitslosenhilfe müssten im Prinzip all jene unbefristet anspruchsberechtigt sein, die nicht ein höheres Lebensalter, sondern nur eine bestimmte Mindestversicherungsdauer aufweisen. Denn warum sollte jemand, der jahrzehntelang beschäftigt war und Beiträge gezahlt hat, nach kurzem Bezug von Arbeitslosengeld (ALG I) genauso wenig Unterstützung erhalten wie jemand, der noch nie berufstätig war?

»Sozial ist nicht alles, was Arbeit schafft. Sozial ist nur, was Armut abschafft.«

Drittens war die Einführung von Hartz IV mit einer Pauschalierung der Regelsätze verbunden, die inzwischen Regelbedarfe heißen und zu niedrig sind, um in Würde leben, sich gesund ernähren und ordentlich kleiden zu können. Dies gilt nicht bloß, aber ganz besonders für Kinder: Während der Regelbedarf von alleinstehenden Erwachsenen 446 Euro beträgt, erhalten Kleinkinder 283 Euro, Schulkinder 309 Euro und Jugendliche 373 Euro. Gerade Familien mit vielen Kindern leiden darunter, dass mit dem Inkrafttreten von Hartz IV die wiederkehrenden einmaligen Leistungen, etwa für die Reparatur einer Waschmaschine und die Anschaffung eines Fahrrades oder eines neuen Wintermantels, weggefallen sind.

In den vergangenen Jahren sind Bezieherinnen und Bezieher von Hartz IV sowie ihre Kinder immer mehr von der allgemeinen Einkommensentwicklung abgekoppelt worden, weil die Regelbedarfe zwar zum Beginn eines neuen Jahres regelmäßig stiegen, aber weniger stark, als es beispielsweise die Armutsrisikoschwelle der Europäischen Union tat. Da die Regelbedarfe zum 1. Januar 2022 um weniger als 1 Prozent angehoben wurden – selbst bei den Erwachsenen macht das nicht einmal 10 Cent pro Tag aus –, werden die Bezieherinnen und Bezieher von Transferleistungen im kommenden Jahr aufgrund der deutlich höheren Preissteigerungsrate noch ärmer sein als dieses Jahr.

Einerseits müssten die Regelbedarfe deutlich erhöht, andererseits jene Beihilfen wieder eingeführt werden, die bedürftige Eltern und ihre Kinder in besonderen Fällen unterstützen. Mehr soziale Gerechtigkeit und einen besseren Zusammenhalt muss sich eine reiche Gesellschaft wie die deutsche schon etwas kosten lassen.

Viertens gibt es bei Hartz IV keinen Berufs- und Qualifikationsschutz mehr, weil CDU/CSU und FDP damals jene Teilverbesserungen, die linke Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten Bundeskanzler Gerhard Schröder nach harten innerparteilichen Kämpfen abgerungen hatten, im Vermittlungsausschuss wieder in den Gesetzentwurf hineinverhandelt haben.

Wenn das Jobcenter darauf besteht, muss deshalb jetzt eine medizinisch-technische Assistentin im Getränkemarkt und ein Betriebstechniker als Pförtner arbeiten, wenn sie nicht ihren Anspruch auf Unterstützung einbüßen wollen. Dem mehr als ein Jahr arbeitslosen Diplomingenieur kann seither auch ein 1-Euro-Job aufgedrängt werden, um seine Arbeitswilligkeit zu testen. Warum soll dieser, wenn er staatliche Transferleistungen erhält, eigentlich nicht einen öffentlichen Park fegen oder in einer Schule bei der Essensausgabe helfen, mögen manche nun einwenden. Nun, ganz einfach deshalb, weil das nicht seiner Ausbildung entspricht, für ihn entwürdigend ist und oft dazu führt, dass ein für die entsprechenden Tätigkeiten besser geeigneter Arbeiter seine Stelle verliert. Daher muss der Berufs- und Qualifikationsschutz wieder im Sozialgesetzbuch verankert werden.

»Von den knapp 4 Millionen erwerbsfähigen Hartz-IV-Beziehern sind rund ein Viertel gar nicht arbeitslos, sondern ›Aufstocker‹ – sie verdienen so wenig, dass sie von ihrem Lohn nicht leben können.«

Fünftens ist Hartz IV mit verschärften Zumutbarkeitsregeln für die Arbeitsaufnahme verbunden. Wer ALG II bezieht, muss jeden Job annehmen, auch dann, wenn er weder nach Tarif noch ortsüblich entlohnt wird. Auch dies haben CDU/CSU und FDP, denen die Hartz-Gesetze nicht weit genug gingen, im Vermittlungsausschuss durchgesetzt.

Von den knapp 4 Millionen erwerbsfähigen Bezieherinnen und Beziehern von Hartz IV sind rund ein Viertel gar nicht arbeitslos, sondern »Aufstocker« – sie verdienen so wenig, dass sie von ihrem Lohn nicht leben können. Nicht zuletzt wegen dieser Bestimmungen hat Hartz IV in Deutschland zu einer Vergrößerung des Niedriglohnsektors geführt, der das Haupteinfallstor für Erwerbs-, Familien- und Kinderarmut sowie für spätere Altersarmut bildet. Weit über 100 Milliarden Euro hat der Staat seit 2005 an sogenannte Erwerbsaufstockerinnen und Erwerbsaufstocker gezahlt und damit letztlich Unternehmen gefördert, die Lohndumping betreiben. Die Zumutbarkeitsregelungen müssen deshalb entschärft werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass der Staat Hungerlöhne nicht länger subventioniert und die Kosten dafür sozialisiert.

Aus dem Sondierungspapier der Ampel-Parteien geht hervor, dass sie am Konzept des » aktivierenden Sozialstaates« festhalten. Sie nehmen also weiterhin an, dass Arbeitslosigkeit von den Betroffenen selbst verschuldet wird, und kein strukturelles Problem darstellt, sondern eines, das durch mehr Druck oder mehr finanzielle Anreize zu lösen sei. Deshalb wollen SPD, Grüne und FDP die Zuverdienstmöglichkeiten verbessern.

Was sich auf den ersten Blick großzügig und für Bezieherinnen und Bezieher von Hartz IV günstig anhört, hat jedoch einen Pferdefuß, über den kaum jemand spricht: Wenn die Erwerbsaufstockerinnen und Erwerbsaufstocker mehr von ihrem Lohn behalten dürfen, wird der ohnehin schon größte Niedriglohnsektor Europas, in dem zwischen einem Fünftel und einem Viertel aller Beschäftigten tätig sind, noch weiter wachsen. Denn das Bürgergeld wäre ein staatlicher Kombilohn, der es Unternehmen erleichtern würde, frühere Bezieherinnen und Bezieher von Hartz IV für wenig Geld anzuheuern. Sozial ist nicht alles, was Arbeit schafft. Sozial ist vielmehr nur, was Armut abschafft.

Sechstens sind die Sanktionen, mit denen die Jobcenter die oben genannten Maßnahmen durchsetzen sollten, der harte Kern von Hartz IV. Bei der ersten Pflichtverletzung, die darin bestehen kann, dass man etwa einen der eigenen Qualifikation nicht entsprechenden Job ablehnt, ein vielleicht bereits schon einmal absolviertes Bewerbungstraining nicht antritt oder eine ungeeignet erscheinende Weiterbildung abbricht, wird der Regelbedarf um 30 Prozent gekürzt. Die Praxis, den Regelbedarf bei der zweiten Pflichtverletzung um 60 Prozent zu kürzen und bei der dritten ganz zu streichen sowie auch die Übernahme von Miet- und Heizkosten zu beenden, wurde nur durch das Bundesverfassungsgericht gestoppt. Noch härter traf es bis dahin Jugendliche, Heranwachsende und junge Erwachsene unter 25 Jahren, die schon bei der zweiten Pflichtverletzung riskierten, durch eine Totalsanktionierung ihre Wohnung zu verlieren.

»Sanktionen sind nicht bloß inhuman, sondern auch kontraproduktiv.«

Die rigide Sanktionspraxis der Jobcenter hat sich ebenso wenig bewährt wie die Eingliederungsvereinbarung, die den Leistungsberechtigten aufgedrängt wird. Schon durch eine Sanktionsdrohung wird massiver Druck auf die Betroffenen ausgeübt, der sie teilweise in Resignation und Depression treibt. Wenn man jungen Menschen die für ihren Lebensunterhalt nötigen Mittel streicht, führt man sie nicht etwa »auf den rechten Weg« zurück, sondern verleitet sie höchstens dazu, sich auf ungesetzliche Weise durchs Leben zu schlagen.

Sanktionen sind nicht bloß inhuman, sondern auch kontraproduktiv, weshalb sie von den politisch Verantwortlichen beseitigt werden müssen. Der bisherige, sanktionsbewehrte Zwang zur Erwerbstätigkeit für alle Bezieherinnen und Bezieher sollte entfallen. Sanktionen sind entbehrlich, denn Menschen, die aufgrund ihrer beruflichen Qualifikation sowie ihrer gesundheitlichen und psychischen Verfassung fähig sind, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, werden dies auch tun, um sich selbst zu verwirklichen, sich nützlich zu machen oder der Gesellschaft etwas zurückzugeben.

Siebtens übernahm Hartz IV das aus der Weimarer Republik stammende Konstrukt der Bedarfsgemeinschaft – damals hieß es noch » Familiennotgemeinschaft« – aus dem Fürsorgerecht. Hierdurch wurden selbst Personen, die weder mit Leistungsbedürftigen verwandt noch ihnen gegenüber unterhaltspflichtig waren, als Teil einer »Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft« zur Kostenübernahme angehalten, um die Zahlungen der Jobcenter zu minimieren.

Damit verbunden waren teilweise bis die intimste Privatsphäre hineinreichende Auskunftsersuchen, Kontrollmaßnahmen und Überwachungspraktiken von Sozialdetektiven der Jobcenter, zu denen später noch die Beweislastumkehr für zusammenwohnende Personen kam. Eine ausgeweitete Sippenhaft darf es nicht geben, weshalb die Bedarfsgemeinschaft aus dem Sozialgesetzbuch zu tilgen ist. Auch müssen Volljährige einen eigenen Haushalt gründen können, ohne die Erlaubnis des Jobcenters ein holen zu müssen.

Achtens wurden mit den ersten Hartz-Gesetzen die Hürden der Bedürftigkeitsprüfung schrittweise erhöht, der sich alle Transferleistungsempfängerinnen und -empfänger unterziehen müssen. Gegenüber der ursprünglichen Regelung bei der Arbeitslosenhilfe verringerte sich das Schonvermögen.

Langzeiterwerbslose mussten selbst eine der Altersvorsorge dienende Kapitallebensversicherung oder eine selbstgenutzte Immobilie, die sie besaßen, veräußern, bevor sie Hartz IV erhalten konnten. Später wurde das Altersvorsorge-Schonvermögen für Hartz-IV-Bezieherinnen und -Bezieher von 250 Euro auf 750 Euro pro Lebensjahr verdreifacht und auch der Besitz einer selbstgenutzten Immobilie unter bestimmten Voraussetzungen ermöglicht.

Im Zuge der Covid-19-Pandemie wurde der Zugang zu Hartz IV erleichtert. Dies betraf das Schonvermögen und die Überprüfung der Wohnungsgröße, wenn auch nur vorübergehend. SPD, Grüne und FDP wollen nunmehr prüfen, »welche dieser Regeln« sie beibehalten werden. Dies erscheint zweckmäßig, obwohl davon eher besser situierte Leistungsberechtigte profitieren, während vor allem in den ostdeutschen Bundesländern viele Antragstellerinnen und Antragsteller überhaupt kein Vermögen besitzen, das geschont werden könnte.

»Das Ziel muss eine soziale Grundsicherung sein, die den Namen im Unterschied zu Hartz IV wirklich verdient.«

Neuntens beschlossen im Jahr 2010 die damaligen Regierungsparteien CDU, CSU und FDP, den Hartz-IV-Bezieherinnen und -Beziehern das Elterngeld fortan auf die Transferleistung anzurechnen (und davon abzuziehen), den Zuschlag zu streichen, der bisher beim Übergang vom Bezug des Arbeitslosengeldes (ALG I) zum Bezug von Arbeitslosengeld II zwei Jahre lang gezahlt wurde, und für Hartz-IV-Abhängige keine Beiträge mehr in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen. Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung für Erwerbslose, die bis dahin Pflichtleistungen waren, wurden gestrichen oder nur dann geleistet, wenn es im Ermessen der Jobcenter lag.

Wird das Arbeitslosengeld II, welches eigentlich » Sozialhilfe II« heißen müsste, von SPD, Grünen und FDP in ein wohlklingendes »Bürgergeld« umbenannt, ohne dass wenigstens die schwerwiegendsten Verschlechterungen für Erwerbslose rückgängig gemacht werden, handelt es sich um semantische Kosmetik statt substanzieller Korrektur. Das Bürgergeld verspricht mehr, als es hält, und ist eine arbeitsmarkt- und sozialpolitische Mogelpackung. Auch eine Kindergrundsicherung, die Minderjährige aus dem Hartz-IV-Bezug herauslöst, ihre Eltern aber darin belässt, ist bestenfalls eine Notlösung.

Das Ziel muss eine soziale Grundsicherung sein, die den Namen im Unterschied zu Hartz IV wirklich verdient, weil sie allen Bedürftigen zugutekommt, aber auch armutsfest, bedarfsdeckend und repressionsfrei ist. Armutsfest wäre eine solche Mindestsicherung unter der Voraussetzung, dass ihr Zahlbetrag zusammen mit den Miet- und Heizkosten, die nicht pauschaliert werden dürfen, zumindest im Bundesdurchschnitt über der Armutsrisikoschwelle der Europäischen Union läge: Das sind laut dem Mikrozensus, der aussagekräftigsten Sozialstatistik der Bundesrepublik, für einen Alleinstehenden 1.074 Euro, für eine Alleinerziehende mit einem Kind unter 14 Jahren 1.396 Euro und für ein Paar mit zwei Kindern unter 14 Jahren 2.255 Euro. Bedarfsdeckend zu sein heißt bei der sozialen Mindestsicherung, dass auch spezifische Bedarfe oder Sonderbedarfe, etwa im Fall einer Behinderung oder einer Schwangerschaft, stärker berücksichtigt werden müssten.

Schließlich sollte die soziale Mindestsicherung ohne Sanktionen auskommen, wenngleich eine moralische Verpflichtung fortbesteht, seinen Lebensunterhalt durch Erwerbsarbeit sicherzustellen, sofern man dazu gesundheitlich, psychisch und aufgrund seiner beruflichen Qualifikation in der Lage ist.



* Prof. Dr. Christoph Butterwegge

Christoph Butterwegge hat bis 2016 Politikwissenschaft an der Universität zu Köln gelehrt. 2017 kandidierte er für das Amt des Bundespräsidenten. Mit Bremen ist er auf vielfältige Weise verknüpft: 1980 Promotion zum Dr. rer.pol. in der Universität Bremen, von 1987-1989 dort auch wissenschaftlicher Mitarbeiter im Studiengang Weiterbildung. 1990 Habilitation im Fach Politikwissenschaft an der Universität Bremen, Dozententätigkeit in Bremen, 1991bis 1994 wissenschaftlicher Mitarbeiter der Bremischen Stiftung für Rüstungskonversion und Friedensforschung.

Letzte Buchveröffentlichung: Gemeinsam mit seiner Frau Dr. Carolin Butterwegge »Kinder der Ungleichheit. Wie sich die Gesellschaft ihrer Zukunft beraubt« (Campus Verlag).

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