Hochrüstung ruiniert Sozialstaat und Zukunft


von Ralf Krämer *



Trotz Kreditfinanzierung und entgegen anders lautender Behauptungen wird die geplante massive Hochrüstung nur möglich sein, wenn sie mit massiven Ausgaben kürzungen und insbesondere Sozialabbau verbunden wird. Das soll im Folgenden belegt werden.



Der NATO-Gipfel am 25.06.2025 in Den Haag hat beschlossen, dass die NATO-Staaten bis 2035 jährlich mindestens fünf Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) für militärische Zwecke ausgeben sollen. Davon sollen 3,5 Prozent auf Militärausgaben im engeren Sinne entfallen, 1,5 Prozent auf militärisch relevante Infrastruktur (z.B. militärisch nutzbare Straßen, Brücken, Digitalisierung). Es ist das größte Aufrüstungsprogramm seit dem Kalten Krieg. (2)

Die europäischen NATO-Staaten folgten damit dem massiven Drängen und Druck der USA, die schon lange höhere Rüstungsanstrengungen von ihnen fordern. Zudem entspricht das den Interessen der Rüstungsindustrie. Militärische Beschaffungen sind seit jeher massiv von Korruption und Bereicherung von Unternehmen auf Kosten der Staatshaushalte geprägt. Es gibt keine ernstzunehmenden sachlichen Gründe für diese Prozentzahlen und für die Hochrüstung insgesamt. Trotz Kreditfinanzierung und entgegen anders lautender Behauptungen wird die geplante massive Hochrüstung nur möglich sein, wenn sie mit massiven Ausgaben kürzungen und insbesondere Sozialabbau verbunden wird. Das soll im Folgenden belegt werden.


NATO dominiert die globalen Militärausgaben


Schon bisher tätigt die NATO nach Zahlen des renommieren schwedischen SIPRI-Instituts mit über 1500 Mrd. US-Dollar (2024) mehr als 55 Prozent der weltweiten Militärausgaben, allein die USA etwa 1000 Mrd. Dollar und 37 Prozent der weltweiten Ausgaben. Zusammen mit den anderen engen Verbündeten bzw. Vasallen der USA (insb. Israel, Japan, Südkorea, Taiwan, Australien, Neuseeland, Philippinen sowie Ukraine) sind es etwa zwei Drittel. (3) Durch die geplante massive Aufrüstung würde sich das krasse Übergewicht der NATO bei den weltweiten Militärausgaben noch auf etwa zwei Drittel vergrößern, zusammen mit den weiteren Verbündeten bzw. Vasallen der USA auf etwa drei Viertel. Auch in Bezug auf konkrete militärische Fähigkeiten sowie ökonomische Kapazitäten sind die NATO-Staaten allen anderen weit überlegen. Die USA betreiben über 800 Militärbasen in allen Teilen der Erde, wogegen Russland nur in einigen ehemaligen Sowjetrepubliken sowie in Syrien Stützpunkte hat und China nur eine Militärbasis im Ausland, in Dschibuti. Die Umsetzung des Fünf-Prozent-Ziels der NATO würde – je nachdem wie man rechnet – fast eine Verdopplung der jetzt schon gigantischen Militärausgaben der NATO bedeuten, mehr als eine Verdopplung in Europa. Die USA geben bisher etwa 3,4 Prozent ihres BIP aus, etliche andere Staaten oft noch unter zwei Prozent, was die bisherige Zielmarke der NATO war.

Nachdenken in Bremen

Russland hat seine Militärausgaben seit 2021 aufgrund seines Kriegs in der Ukraine mehr als verdoppelt, sie betrugen 2024 etwa 150 Mrd. Dollar. Das sind 5,5 Prozent der weltweiten Ausgaben und 7,1 Prozent seines BIP. China gibt über 310 Mrd. US-Dollar aus, 11,5 Prozent der weltweiten Ausgaben und weniger als 1,7 Prozent des BIP. Selbst wenn man davon aus geht, dass Russland und China wesentlich mehr militärische Fähigkeiten je ausgegebenen Dollar bekommen als der Westen, ist bei diesen Zahlen klar, dass von einer militärischen Bedrohung der NATO durch Russland oder China keine Rede sein kann.

Diese haben dagegen Gründe, sich durch die USA und die NATO und ihre Verbündeten und deren massive Aufrüstung und Einflussnahme in ihren Nachbarländern bedroht zu fühlen. Die NATO ist das unangefochten global stärkste Militärbündnis aller Zeiten. Es ist davon auszugehen, dass ihre weitere Hochrüstung den weltweiten Rüstungswettlauf massiv anheizen wird.


Konfrontation und Kriegsvorbereitung statt Friedenssicherung


Es ist eine Schauergeschichte der Kriegspropaganda, dass Russland den Plan habe und in der Lage wäre, einen Angriff gegen die Staaten der NATO und der EU zu führen. Anders als bei dem nicht zu rechtfertigenden Einmarsch in die Ukraine, wo Russland seine Forderungen formuliert hatte, auf die nicht eingegangen wurde, gibt es solche Ziele und Interessen Russlands in Bezug auf die anderen Länder Europas nicht. Vor allem hat Russland nicht im Mindesten die Möglichkeiten für einen erfolgversprechenden Angriff, weil es der NATO militärisch schon jetzt, auch ohne die geplante Aufrüstung militärisch, von der Bevölkerungszahl her und vor allem ökonomisch klar unterlegen ist. (4)

Es ist völlig widersprüchlich und unglaubhaft, wenn die gleichen Leute behaupten, die Ukraine könne den Krieg gegen Russland noch gewinnen, wenn ihr noch mehr Waffen und Geld geliefert würden, und gleichzeitig, dass Russland in der Lage wäre einen Krieg gegen die NATO anzufangen. Seriöse Analysen, selbst die US-Geheimdienste, halten das für unrealistisch. (5)

Zudem werden sich die USA keinesfalls aus Europa zurückziehen, auch nicht unter Trump oder seinen Nachfolgern. Die USA sind in Europa um ihre eigenen Interessen, Investitionen und ihre globale Vorherrschaft zu sichern. Sie wollen, dass die Europäer mehr bezahlen für das Militär und die Ausgaben für die Ukraine künftig allein tragen, damit die USA hier einsparen und sich verstärkt auf ihre Konfrontationspolitik gegen China konzentrieren können.

Europäische und insbesondere deutsche Politiker (und Medien) reden zwar ihrem Publikum gegenüber oft sehr kritisch über Donald Trump und wie wichtig eine Eigenständigkeit der EU sei, doch in der realen Politik ordnen sie sich nach wie vor oder mehr denn je den Forderungen der USA unter und verhalten sich als Vasallen. In Bezug auf die Konfrontation gegen Russland übertreffen sie die USA allerdings noch und haben sich von allen Ansätzen einer Friedenspolitik verabschiedet.

Die Hochrüstung der NATO dient nicht der Friedenssicherung oder Verteidigung, sondern der geopolitischen Machtprojektion im Rahmen einer Konfrontationspolitik und der Kriegsvorbereitung. Indem die Regierenden den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Israels und der USA gegen den Iran rechtfertigen, zeigen sie, was sie unter „Verteidigung“ verstehen. Sie rüsten für den Krieg, wollen massive militärische Überlegenheit, schaffen Angriffswaffen an, wollen Truppen schnell und in großer Zahl nach Osten bringen können. In Deutschland sollen neue US-Mittelstreckenwaffen stationiert werden, die Erstschläge gegen Kommandozentralen und andere strategische Ziele ausführen können.

Statt einen Krieg unbedingt zu vermeiden, legen sie es darauf an, ihn führen und gewinnen zu können. Aber ein Krieg gegen Russland wird nicht zu gewinnen sein, sondern wird dann ein Atomkrieg sein, der mindestens große Teile der Menschheit und besonders Europa vernichten wird.


Hochrüstung: ökologisch, sozial und ökonomisch zerstörerisch


Militär ist aber ohnehin ökologisch zerstörerisch. Kriege, Rüstung und Militäraktivitäten sind für einen hohen und immer größeren Anteil der Klima- und Naturzerstörung verantwortlich. Gleichzeitig werden sie nicht mitgerechnet bei den Klimazielen, die von ihnen verursachten Schäden steigen immer weiter an. Die geplante Hochrüstung der NATO wird die Erreichung der klimapolitischen Ziele der EU völlig unmöglich machen. (6)

Eine Rettung von Menschen und Natur wird nur möglich sein, wenn die Hochrüstung gestoppt und stattdessen abgerüstet wird, weltweit. Eine gute Zukunft wird nur möglich sein, wenn Kriege beendet und verhindert werden, wenn die Staaten und Völker der Erde zusammenarbeiten, wenn sie Konflikte friedlich lösen und gemeinsam Armut bekämpfen, die Länder wirtschaftlich und sozial entwickeln, und Natur und Klima schützen.

Auch wirtschaftlich sind Rüstungsausgaben schädlich. Militärausgaben verschwenden Ressourcen und Arbeitskraft, die für andere Zwecke gebraucht und viel nützlicher eingesetzt werden könnten. Sie nützen vor allem den Profiten der Rüstungskonzerne, dem militärisch industriellen Komplex, der zugleich politisch Druck macht für noch mehr Aufrüstung. (7)

Besonders absurd ist es, dass neoliberale und kapitalorientierte Politiker und Wissenschaftler immer erzählt haben, der Staat habe kein Geld und höhere Verschuldung dürfe nicht sein, sei schädlich und belaste künftige Generationen. Deshalb brauche man die Schuldenbremse. Was nicht stimmt, wenn der Staat mit den Schulden nützliche Investitionen bezahlt, die den heutigen und künftigen Generationen zugutekommen, ihre Produktivität und ihren Wohlstand mehren.

Kreditfinanzierte Investitionen in die zivile Infrastruktur und das Bildungswesen refinanzieren sich durch ihre Wachstumswirkungen und damit höhere Steuereinnahmen mittel- und längerfristig selbst. Davon abgesehen, dass an die folgenden Generationen nicht nur die Schulden vererbt werden, sondern ebenso die entsprechenden Geldvermögen derjenigen, die die Staatsanleihen halten. Es geht immer um Verteilungsfragen innerhalb der jeweils lebenden Generationen.

Doch jetzt soll der Staat nicht etwa dafür, sondern für die Hochrüstung in der Höhe und zeitlich unbegrenzt Schulden aufnehmen können, und die bisherigen Gegner von Staatschulden sind einverstanden oder bejubeln es sogar. Dabei sind diese Schulden für Militärausgaben tatsächlich schädlich: sie machen uns ärmer. Sie haben weitaus geringere Wachstumswirkungen und führen dazu, dass die Staatsverschuldung immer weiter ansteigt und neben der direkten Belastung durch die Militärausgaben ein immer größerer Teil des Staatsetats dafür gebunden wird. (8)

Je mehr Geld für Militär und die Zinsen und Tilgung für diese Kredite ausgegeben wird, desto weniger bleibt für den Sozialstaat übrig, für die Daseinsvorsorge, für die zivile Infrastruktur, für Renten und für die Löhne der Beschäftigten im öffentlichen Dienst, im Bildungswesen und den sozialen Bereichen.


Priorität Hochrüstung: „Whatever it takes“


In seiner Regierungserklärung am 14.05.2025 stellte der neuen Bundeskanzler Merz klar, was die politische Priorität der neuen Regierung ist, nämlich massive Aufrüstung der Bundeswehr und der EU-Staaten, Unterstützung der Ukraine und Kampf gegen Russland: „Die Bundesre gierung wird zukünftig alle finanziellen Mittel zur Verfügung stellen, die die Bundeswehr braucht, um konventionell zur stärksten Armee Europas zu werden.“ Bereits am 5. März hatte Merz auf einer Pressekonferenz die damit verbundene finanzpolitische Schwerpunktsetzung verkündet: es „muss jetzt auch für unsere Verteidigung gelten: Whatever it takes“.

Die Umsetzung des Fünf-Prozent-Ziels der NATO würde für Deutschland in 2025 Ausgaben für militärische Zwecke von über 220 Mrd. Euro bedeuten. Das wäre erheblich mehr, als Bund, Länder und Gemeinden zusammen für alle Bildungsausgaben von der Kita bis zu den Hochschulen ausgeben – laut OECD sind das vier Prozent des BIP. Es würde fast die Hälfte (44 Prozent) des geplanten Bundeshaushalts von 503 Mrd. Euro ausmachen; unter Einrechnung der Ausgaben aus dem Sondervermögens Bundeswehr wären es 40 Prozent. Militärausgaben im engeren Sinne, die 3,5 Prozent des BIP ausmachen sollen, wären etwa 155 Mrd. Euro. Diese 3,5 Prozent des BIP will die Bundesregierung laut ihrem Finanzplan bis 2029 erreichen, also sogar sechs Jahre früher als die NATO es fordert.

Für 2025 sind im Finanzplan der Bundesregierung Militärausgaben nach NATO-Kriterien von 2,4 Prozent des BIP vorgesehen, etwa 100 Mrd. Euro. Nur 62,4 Mrd. Euro davon kommen aus dem Einzelplan 14 (Verteidigungsministerium), 8,8 Mrd. Euro Militärhilfen für Ukraine u.a. finden sich im Einzelplan 60 (Allgemeine Finanzverwaltung), beim Innenministerium und in anderen Einzelplänen finden sich noch 4,5 Mrd. Euro für Zivilschutz, Nachrichtendienste und Schutz der Informations- und Kommunikationstechnik. 24,1 Mrd. € kommen aus dem Sondervermögen Bundeswehr. Ausgaben für militärisch relevante Infrastruktur usw., die zum Fünf Prozent-Ziel der NATO beitragen, sind hier nicht enthalten.

2015 hatte der Anteil der Militärausgaben am BIP in der Bundesrepublik Deutschland mit 1,2 Prozent seinen niedrigsten Wert. Bis 2025 wurden die Militärausgaben also anteilig am BIP innerhalb von zehn Jahren verdoppelt (in Euro-Beträgen verdreifacht) und bis 2029 sollen sie verdreifacht werden (in Euro-Beträgen nahezu verfünffacht). Der Anteil der Ausgaben für Bildung, Gesundheit oder soziale Zwecke blieb dagegen weitestgehend unverändert.


Schulden ermöglichen Hochrüstung


Die finanzpolitischen Bedingungen für ihre Hochrüstungspolitik hat die neue CDU/CSU-SPD Koalition gemeinsam mit den Grünen noch mit dem alten Bundestag geschaffen. Dieser beschloss eine Grundgesetzänderung, nach der Ausgaben für Militär und Militärhilfe, Zivilschutz und Nachrichtendienste, die ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) übersteigen, künftig nicht mehr von der „Schuldenbremse“ betroffen sind. Militärausgaben können damit künftig in der Höhe und zeitlich unbegrenzt aus Schuldenaufnahme finanziert werden – eine Ermächtigung für unbegrenzte „Kriegskredite“. Im bereits neu gewählten Bundestag hätten sie die dafür nötige Zwei-Drittel-Mehrheit nicht mehr gehabt, weshalb dieses Vorgehen auch demokratiepolitisch problematisch war.

Gleichzeitig wurde auch den Ländern ein kleiner Verschuldungsspielraum von zusammen 0,35 Prozent des BIP eingeräumt und ein neues „Sondervermögen Infrastruktur und Klimaschutz“ in Höhe von 500 Mrd. Euro eingerichtet. Das ist ein schuldenfinanzierter Fonds mit eigener Kreditermächtigung außerhalb der Schuldenbremse. Daraus sollen in den nächsten zwölf Jahren zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur und zur Erreichung der Klimaneutralität finanziert werden. Allerdings wird ein großer Teil auch dieser Investitionen in militärische Ertüchtigung der Infrastrukturen fließen, etwa in panzertaugliche Straßen und Brücken nach Osten, Krankenhäuser für die Versorgung von Kriegsverletzten usw. Ansonsten und grundsätzlich bleibt die Schuldenbremse unangetastet.

Durch diese Grundgesetzänderungen wurden die politischen Mehrheiten für die geplante Hochrüstung ermöglicht. Denn andernfalls hätten unmittelbar so radikale Ausgabenkürzungen in sozialstaatlichen Bereichen erfolgen müssen, dass der Widerstand in der Gesellschaft und den Parteien zu groß geworden wäre. Auch Gewerkschaften, Sozial- und Umweltverbände (also ihre Führungen) stimmten den Grundgesetzänderungen zu, vor allem mit Blick auf das „Sondervermögen“ und die damit verbundenen zivilen Investitionen, die sie schon lange gefordert hatten.


Förderung für Kriegswirtschaft und Kapital, Gürtel enger für Beschäftigte und Sozialstaat


Mit den Grundgesetzänderungen war die politische Botschaft verbunden, dass Aufrüstung und Militarisierung ohne harte Einschnitte in den Sozialstaat möglich wären. Doch die finanzpolitische Realität ist eine andere. Eine dauerhafte starke Erhöhung der öffentlichen Nettokreditaufnahme und damit des Niveaus der Staatsverschuldung – besonders für wenig wachstumswirksame Militärausgaben – würde zunehmende Zinsbelastungen und Risiken aufwerfen, sie ist politisch nicht gewollt und sie wäre unvereinbar mit den Vorgaben der EU. Vertreter der Bundesregierung und erst recht die neoliberale Unternehmerlobby und Wissenschaft betonen, dass der Bundeshaushalt unter erheblichem Konsolidierungsdruck steht. In allen anderen Bereichen als der Aufrüstung und besonders bei den Sozialausgaben seien deshalb Einsparungen, also Ausgabenkürzungen notwendig.

Bereits beim Bundeshaushalt für 2025 werden sehr problematische Ausgabenkürzungen vorgenommen, versprochene Zahlungen nicht geleistet und weitere Lasten auf die Sozialversicherungen verschoben, zusammen in der Größenordnung zehn Mrd. Euro:

- Die ursprünglich für alle, auch private Haushalte versprochene Senkung der Stromsteuer wird nicht umgesetzt. Stattdessen profitiert allein die Industrie von der Entlastung.
- Beim Bürgergeld, also den Erwerbslosen, und den Jobcentern sollen Milliardenbeträge eingespart werden, bei Eingliederungshilfen, Weiterbildung, Reha usw., trotz einer steigenden Zahl von Arbeitslosen und Anspruchsberechtigten. Kanzler Merz fordert Kürzungen bei der Übernahme von Wohnkosten und verschärfte Sanktionen.
- Statt die Krankenkassen durch die überfällige Übernahme der Kosten für Bürgergeldempfänger durch den Bund und einen dynamisch steigenden Bundeszuschuss zu entlasten, bekommen sie nur ein Darlehen, das später die Finanzprobleme noch vergrößert.
- Auch die Pflegeversicherung erhält statt eines Bundeszuschusses zur notwendigen Stabilisierung des Beitragsatzes und Entlastung der Versicherten von drastisch steigenden Pflegekosten nur ein Darlehen.
- Das Gleiche gilt für die Bundesagentur für Arbeit, auch sie bekommt nur ein Darlehen, damit sie ihren Haushalt ausgleichen kann. Gleichzeitig soll sie Zuschüsse an den Bund zurückzahlen, die sie zur Bewältigung der Pandemie bekommen hat, und künftig die Finanzierung beruflicher Weiterbildung und Reha tragen.
- Die Ausgaben für humanitäre Hilfe und für internationale Organisationen und Zusammenarbeit werden stark gekürzt, trotz der steigenden Bedarfe für humanitäre Katastrophen.
- Förderprogrammen im Klima- und Transformationsfonds werden gekürzt, besonders stark der zur Dekarbonisierung der Industrie.
- In der Bundesverwaltung sollen Stellen abgebaut werden, in den kommenden Jahren zwei Prozent jährlich.

Gleichzeitig legte die Bundesregierung einen mittlerweile in Bundestag und Bundesrat beschlossenen Gesetzentwurf vor, der Steuergeschenke von bis 2029 kumuliert knapp 50 Mrd. Euro an die Unternehmen verteilt. Sie können zunächst ihre steuerpflichtigen Gewinne durch erhöhte Abschreibungen mindern und ab 2028 wird dann der Körperschaftsteuersatz – die Gewinnsteuer der AGs und GmbHs – jährlich um einen Prozentpunkt gesenkt, von bisher 15 Prozent auf zehn Prozent ab 2032. Auch Personenunternehmen erhalten entsprechende Steuerbegünstigungen. Diese Steuersenkungen belasten Bund und Länder ab 2032 mit zusammen fast 30 Mrd. Euro Mindereinnahmen pro Jahr.

Damit sollen erhöhte Investitionen der Unternehmen angereizt werden, obwohl Erfahrungen und diverse Untersuchungen zeigen, dass dies nur geringe Wirkungen hat. Selbst das arbeitgeberfinanzierte Institut der Deutschen Wirtschaft, deren auf neoklassischen Annahmen be ruhende Simulationsmodelle man mit Skepsis betrachten muss, stellt nur zusätzliche Investitionen in Höhe der Hälfte der Einnahmeverluste des Staates in Aussicht. (9) Dieser könnte also stattdessen in erheblich höherem Umfang öffentliche Investitionen in notwendige und auch wirtschaftsfördernde Infrastruktur, Bildungsausgaben usw. vornehmen. Die Investitions-, Wachstums- und Beschäftigungsbilanz dieser Steuersenkungen ist also per Saldo sogar ein deutig negativ.

Einen besonderen Schwerpunkt will der Bund zudem auf die Förderung der Rüstungsindustrie, ihrer Finanzierungsbedingungen und Planungssicherheit und die Absicherung ihrer Investitionen und Gewinne sowie die weitere Steigerung ihrer Aktienkurse legen. (10)

Ob es zu der im Koalitionsvertrag für Mitte der Legislatur angekündigten Senkung der Einkommensteuer für kleine und mittlere Einkommen und für Alleinerziehende kommen wird, ist dagegen sehr fraglich. Denn in den Eckwerten der Finanzplanung der Bundesregierung bis 2029 ist sie nicht erwähnt. Dort geht es um 1. Investitionen und Aufrüstung, 2. „Strukturreformen“ zugunsten der Unternehmen, und 3. Konsolidierung, Ausgabenbegrenzung. Und es steht dort: „In den Eckwerten nicht enthaltene Maßnahmen des Koalitionsvertrages können nur mit entsprechender Gegenfinanzierung umgesetzt werden.“ Wie diese aussehen sollte, ist schwer vorstellbar.


Finanzplanung bis 2029: Mehr für Rüstung und Schulden, weniger für den Rest


Mit dem Entwurf für den Bundeshaushalt 2025 und 2026 hat die Bundesregierung auch den Finanzplan bis 2029 vorgestellt. (11) Darin wird deutlich, dass sich die finanzpolitischen Probleme in den kommenden Jahren zunehmend verschärfen werden. Finanziert werden sollen die Hochrüstung, öffentliche Investitionen sowie die Steuersenkungen und anderen Fördermaßnahmen für Unternehmen durch massiv erhöhte Verschuldung. Die Spielräume der Schuldenbremse werden ausgeschöpft. Dazu kommen zunehmende Kredite im Rahmen der „Bereichsausnahme“ für Militärausgaben, die also über ein Prozent des BIP hinausgehen, so wie die Kredite für das „Sondervermögen Infrastruktur und Klimaschutz“.

Betont wird der dennoch sehr hohe Konsolidierungsdruck: „Im Finanzplanjahr 2027 beläuft sich der Handlungsbedarf aktuell auf rd. 34 Mrd. €. In den Jahren 2028 und 2029 steigt er auf rd. 64 Mrd. € bzw. rd. 74 Mrd. €. (…) Die Auflösung der Handlungsbedarfe durch das Erzielen von Konsolidierungserfolgen ist eine gemeinsame Aufgabe der Bundesregierung. Zum einen gilt, dass zukünftige konjunkturelle Mehreinnahmen und sonstige Entlastungen für die Auflö sung des Handlungsbedarfs zu verwenden sind. Zum anderen ist klar, dass jedes Ressort seinen Beitrag leisten muss. Das bedeutet nicht nur, auf Ausgabenwünsche verzichten zu müssen, sondern auch, Bestehendes zu hinterfragen. Vor diesem Hintergrund sind alle Ressorts aufgefordert, durch strikte Priorisierung und konsequente Überprüfung ihrer Ausgaben zum Schließen des Handlungsbedarfs beizutragen.“

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über wesentliche Finanzpositionen. Bei der Inter pretation dieser Zahlen sind die Anteile der verschiedenen Ausgaben am Bruttoinlandspro dukt (BIP) aussagekräftiger als die absoluten Zahlen. Denn diese steigen fast immer von Jahr zu Jahr, allein schon durch die Inflation und das allgemeine Wachstum der Wirtschaft und der Einkommen. Wenn Ausgaben aber langsamer steigen als das nominale BIP, geht ihre gesamt wirtschaftliche Bedeutung zurück. Der Rückgang der Zinszahlungen von 2024 auf 2025 ist vor allem durch veränderte Buchungsregeln bedingt.

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Wenn man die Ausgaben des Bundes – einschließlich der Sondervermögen – für zivile Zwecke betrachtet, wird deutlich, dass sie nur in den Jahren 2025 und 2026 durch das Sondervermögen Infrastruktur ansteigen, danach gehen sie wieder zurück. Der Anteil der Steuereinnahmen des Bundes am BIP sinkt ebenfalls. Der Anteil der Militärausgaben an den Gesamtausgaben und am BIP steigt kontinuierlich stark an, nach Angaben der Bundesregierung nach NATO-Kriterien auf 3,5 Prozent am BIP, noch etwas stärker als in den Zahlen des Finanzplans ersichtlich.

Dabei sind die militärisch relevanten Infrastrukturausgaben im Sinne des Fünf-Prozent-Ziels der NATO nicht enthalten. Dazu gibt es keine Zahlen, sie kommen hinzu bzw. sind in den anderen Ausgaben enthalten. Die Militärausgaben gehen also trotz massiver Schuldenfinanzie rung ab 2027 zunehmend zu Lasten der zivilen Ausgaben. Dabei spielen auch die steigenden Zinsbelastungen des Bundes eine wichtige Rolle, die sich von fünf auf fast elf Prozent der ge samten Ausgaben des Bundes verdoppeln. Die kommenden Jahre werden jedenfalls finanz politisch noch viel schwieriger als die bisherigen, die Probleme werden durch die massive Neuverschuldung in die Zukunft verschoben.

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Sozialausgaben im Visier für Kürzungen


Der überwiegende Teil der zivilen Ausgaben des Bundes sind Ausgaben für Arbeit und Soziales, Gesundheit sowie Bildung, Familie, Senioren, Frauen, Jugend. Der mit Abstand größte Einzelposten sind die Zuschüsse des Bundes zur Rente und zur Grundsicherung im Alter. Diese Bundeszuschüsse und ebenso die zur Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung decken gesamtgesellschaftliche, nicht durch Sozialbeitragszahlungen begründete Leistungen der Sozialversicherungen ab.

Sie sind keineswegs zu hoch, sondern müssten nach Berechnungen von Sozialverbänden und Wissenschaftlern noch um etliche zig Mrd. Euro im Jahr höher ausfallen (12) Und sie wurden schon in den vergangenen Jahren mehrfach beschnitten. Sie sind relativ zum BIP schon in der Vergangenheit konstant geblieben und sollen es im Plan auch in den kommenden Jahren bleiben, obwohl sie eigentlich angesichts der zunehmenden Bedarfe steigen müssten. Es ist also völlig klar, dass in den kommenden Jahren der Druck in Richtung Sozialkürzungen immer stärker werden wird.

Besonders populär sind immer wieder Forderungen nach verschärften Sanktionen und Kürzungen der Leistungshöhe und der Wohnkostenübernahme beim Bürgergeld bzw. der Grundsicherung für Erwerbslose. Die hier erzielbaren Einsparungen sind aber begrenzt, weil das Existenzminimum laut Grundgesetz gesichert bleiben muss. Viel größere Beträge werden durch die Sozialversicherungen bewegt, in denen die große Mehrheit der Bevölkerung Mitglied ist – und von Kürzungen betroffen.

Seit langem fordern Unternehmervertreter, kapitalorientierte Parteien und Wissenschaftler weitere Anhebungen des Rentenalters, die Abschaffung der Möglichkeit vorgezogener Rente für langjährig Versicherte, und weitere Senkungen des Rentenniveaus. In letzter Zeit stehen aufgrund ihrer Ausgaben- und Beitragssteigerungen die Kranken- und die Pflegeversicherung im Mittelpunkt von Diskussionen über Begrenzung und Abbau von Leistungen, höhere Zuzahlungen und mehr private Vorsorge. In der Arbeitslosenversicherung gibt es Forderungen und Vorschläge des arbeitgeberfinanzierten Instituts der deutschen Wirtschaft die Bezugsdauer des Arbeitslosengelds für Ältere zu kürzen.

Diese Forderungen werden in den kommenden Jahren immer drängender und massiver wer den, weil aufgrund des wachsenden Anteils Ältere an der Bevölkerung ab Ende des Jahrzehnts steigende Beitragsätze zur Rentenversicherung anstehen und auch die Ausgaben der Pflegeversicherung und der Krankenversicherung weiter ansteigen werden. Damit steigen auch die Bundeszuschüsse. Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag wird voraussichtlich von knapp 42 Prozent in diesem Jahr auf 45 Prozent und darüber in den 2030er Jahren ansteigen. Aus guten Gründen fordern Sozialverbände und Gewerkschaften zudem schon seit Jahren einen Ausbau und eine Verbesserung von Leistungen sowie mehr Personal. Weitere zusätzliche Mittel wären dafür notwendig.

Für die Arbeitsgeberverbände stellen eigentlich schon 40 Prozent Gesamtsozialversicherungsbeitrag die rote Linie da, die nicht überschritten werden dürfte. Grundlegende soziale Reformen wie die Einbeziehung auch der Selbstständigen und Beamten in die gesetzlichen Sozialversicherungen ohne Versicherungspflichtgrenzen und mit höheren Beitragsbemessungsgrenzen (Bürger- bzw. Erwerbstätigenversicherung) sind absehbar unwahrscheinlich. Der andere Weg, die Steigerung der Beitragsätze zu begrenzen, wäre eine überproportionale Erhöhung der Bundeszuschüsse. Die Finanzspielräume dafür werden aber wie gesehen immer enger, weitere Kürzungen wahrscheinlicher. Und damit noch stärker steigende Beitragsätze zu Lasten der Löhne. Und die Arbeitgeber werden versuchen, die von ihnen zu zahlenden höheren Arbeitgeberbeiträge in Form geringerer Lohnsteigerungen auf die Beschäftigten abzuwälzen. (13)


Es wird noch schlimmer


Tatsächlich sind die Aussichten noch dramatischer, als sie sich im Finanzplan der Bundesregierung darstellen. Zum einen wird dort von kontinuierlichem krisenfreiem Wachstum von real einem Prozent pro Jahr ausgegangen, nominal ohne Inflationsbereinigung wären das drei bis 3,5 Prozent, was in der Realität unwahrscheinlich ist. Und selbst wenn in den kommenden Jahren eine konjunkturelle Besserung nach der langen Krisen- und Stagnationsphase seit 2020 stattfindet, dürfte spätestens Anfang der 2030er die nächste konjunkturelle Krise anstehen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass schon vorher wieder Probleme auftreten werden und die Wirtschaft sich grundsätzlich schlechter entwickelt.

An den Grundproblemen der gestiegenen Energiepreise und der zunehmenden Verschlechterung der internationalen und Handelsbeziehungen durch Sanktionen der EU und der USA gegen Russland, China und andere Länder sowie die aggressive Politik der USA wird sich jedenfalls voraussichtlich nichts ändern. Im Gegenteil, diese Politik wird verschärft fortgesetzt und die EU spannt sich zunehmend ein in die US-Konfrontationspolitik gegen China, statt sich gemeinsam mit China und dem Rest der Welt gegen die erpresserische Zollpolitik Trumps zu wehren.

Zu beachten ist auch, dass der gravierende öffentliche Investitionsstau und die großen ungedeckten Bedarfe in den Kommunen, der Infrastruktur, im Bildungswesen, Gesundheitswesen und Pflege sowie für eine soziale Gestaltung des klimapolitischen Umbaus usw. durch das „Sondervermögen Infrastruktur und Klimaschutz“ keineswegs gedeckt werden. Im Bund findet nur 2025 und 2026 eine Erhöhung der Investitionen statt, danach gehen sie preisbereinigt wieder zurück. Auch in Kommunen und Ländern werden durch diese Mittel zum erheblichen Teil nur Löcher gestopft und Kürzungen vermieden. Ohnehin sind die 500 Mrd. Euro auf zwölf Jahre erheblich weniger als die von verschiedenen Stellen geschätzten Zusatzbedarfe. Und dann ist noch zu beachten, dass eine massive Fehlsteuerung durch die Ausrichtung auf militärisch relevante Bedarfe erfolgt. Große Mängel und ungedeckte Bedarfe in allen genannten Bereichen werden uns also erhalten bleiben.

In den 2030er Jahren werden zudem weitere Belastungen auf den Bundeshaushalt zukommen. Schon bis 2029 werden sich die Zinsbelastungen des Bundeshaushalts verdoppeln, in den folgenden Jahren würden sich dieser Anstieg fortsetzen. In alle Zahlen des Finanzplans gehen große Unsicherheiten ein, bei den Zinszahlungen insbesondere auch zur künftigen Höhe der Zinssätze, die der Bund zahlen muss. Hier lauern weitere Risiken. Hinzu kommen dann die Tilgungszahlungen für die „Sondervermögen“. Der Wirtschaftsstabilisierungsfond aus der Corona Pandemie und das Sondervermögen Bundeswehr dürfte den Bund für die Jahre 2031 bis 2061 mit jährlich 4,5 bis fünf Mrd. Euro belasten. Ab den 2040er Jahren kommen dann die Tilgungen für das Sondervermögen Infrastruktur und Klimaschutz mit wahrscheinlich über 15 Mrd. Euro jährlich hinzu.

Dabei ist die Lage für Deutschland im internationalen Vergleich noch geradezu komfortabel. In Frankreich, Spanien oder Italien und etlichen anderen Staaten ist die Staatsverschuldung relativ zum BIP mehr als doppelt so hoch und die Zinsbelastung noch weit höher. Deshalb sind hier selbst die Regierungen zurückhaltender in Bezug auf die Aufrüstung als es die Bundesregierung ist, die als schlechtes Beispiel vorangeht und Druck auf die anderen ausübt. Zugleich zwingt sie über die EU-Schuldenregeln, die maßgeblich wegen des deutschen Drucks so scharf aussehen, eine umso massivere Sozialkürzungspolitik auf.


Der letzte Hammer: mittelfristiger finanzpolitisch-struktureller Plan für die EU


Doch mit der jetzt geplanten hohen Neuverschuldung ist auch Deutschland von den dort beschlossenen Begrenzungen betroffen. Im jüngst beschlossenen „Deutscher mittelfristiger finanzpolitisch-struktureller Plan für den Zeitraum 2025 bis 2029“ sichert die Bundesregierung zu, dass sie die Vorgaben der EU einhalten will und beschreibt Anpassungspfade, wie dies zu erreichen ist. Es geht um einen verbindlichen „mehrjährigen Pfad für das maximal zulässige Wachstum der gesamtstaatlichen Nettoprimärausgaben“, um den staatlichen Schuldenstand mittelfristig wieder in Richtung 60 Prozent des BIP zurückzuführen.

Im Finanzplan würde allein der Bund schon bis 2029 über 3,5 Prozent des BIP jedes Jahr neue Schulden aufnehmen, und dazu kämen noch die der Länder, Kommunen und Sozialversicherungen, gesamtstaatlich wären das etwa vier Prozent des BIP oder mehr. Ein Prozent des BIP sind etwa 45 Mrd. Euro. Die Bundesbank schätzt, dass das gesamtstaatliche Defizit 2026 und 2027 sogar bei sechs Prozent des BIP landen könnte, der Schuldenstand 2029 bei 80 Prozent.

Die Bundesregierung hat bei der EU-Kommission beantragt, die Nationale Ausweichklausel (NEC) für Verteidigungsausgaben anzuwenden. Dadurch erweitern sich die zulässigen Verschuldungsspielräume erheblich, was die Bundesregierung besonders in den Jahren 2025 und 2026 ausnutzt. Das „Anpassungsszenario“ zeigt, danach muss dann umso heftiger die Neuverschuldung bzw. das Finanzierungsdefizit reduziert werden, gesamtstaatlich um über zwei Prozentpunkte bis 2030 bzw. über 30 Mrd. Euro pro Jahr.

Das ist im Finanzplan nicht dargestellt und würde zu den von Finanzminister Klingbeil genannten riesigen „Handlungsbedarfen“ für Konsolidierung von 34 Mrd. Euro in 2027, 64 Mrd. in 2028 und 74 Mrd. in 2029 – 17 Prozent der Steuereinnahmen – noch hinzukommen. Auch in den 2030er Jahren müsste die Neuverschuldung um fast drei Prozent am BIP, fast 130 Mrd. Euro im Jahr nach heutigen Werten, niedriger ausfallen als 2026. Wenn die Hochrüstung dann fortgesetzt werden soll, sind noch verschärfte Kürzungen in anderen Bereichen zu befürchten.


Sozialstaat retten: ohne Hochrüstung und mit Umverteilung von oben nach unten!


Wenn man alles zusammennimmt, wird überdeutlich: Der Sozialstaat und eine halbwegs akzeptable Entwicklung der Nettoeinkommen wird sich nur erreichen lassen, wenn die irrsinnige Hochrüstung verhindert und eine Sozial- und Steuerpolitik sowie Lohnentwicklung durchgesetzt wird, die zugunsten der Masseneinkommen umverteilt. Es geht in den 2030er Jahren um mindestens 200 Mrd. Euro im Jahr oder mehr, die anders verwendet und finanziert werden müssen als es die herrschenden Kräfte in Politik und Gesellschaft anstreben. Es sind Verteilungsauseinandersetzungen zu erwarten, gegen die sich die bisherigen in den letzten Jahrzehnten wie Ringelpiez mit Anfassen ausnehmen.

Entweder wird der Sozialstaat in einem Maße demoliert und demontiert, wie wir es bisher nicht erlebt haben, während sich zugleich der Druck auf Löhne, Arbeitsbedingungen, Arbeitnehmerrechte und Gewerkschaften, Streikrecht usw. massiv vergrößern wird. Oder wir schaffen es politisch zu mobilisieren und die Hochrüstung zu verhindern sowie eine Umkehr zu einer sozialen Verteilungspolitik durchzusetzen: höhere Besteuerung großer Vermögen und Erbschaften, hoher Einkommen und finanzstarker Unternehmen sowie Stärkung der Sozialversicherungen und des Sozialstaats insgesamt, sowie stetige Reallohnsteigerungen mindestens im Maße der Produktivitätszuwächse.

Dazu brauchen wir eine starke Friedensbewegung und starke Gewerkschaften, vor allem aber deren Zusammenwirken und dies im Bündnis mit weiteren sozialen und demokratischen Bewegungen und ökologischen Kräften. Das ist die Kernaufgabe der kommenden Jahre. Bisher haben die Gewerkschaften dabei versagt, trotz Beschlüssen in diese Richtung. (14) Gelingt es nicht, machtvollen Protest auf die Straße und politisch zu mobilisieren und die Hochrüstung zu verhindern, werden alle anderen fortschrittlichen Ziele auch nicht durchzusetzen sein. Dann sähe die Zukunft dieses Landes, Europas und der gesamten Menschheit düster aus.


Anmerkungen

(2) Vgl. NATO, Defence expenditures and NATO’s 5% commitment, mit Links zu historischen Tabellen: https://www.nato.int/cps/en/natohq/topics_49198.htm
(3) Vgl. SIPRI Military Expenditure Database, https://www.sipri.org/databases/milex
(4) Vgl. Christopher Steinmetz, Herbert Wulf, Alexander Lurz, Wann ist genug genug? Kräftevergleich NATO-Russland, https://www.greenpeace.de/publikationen/Kraeftevergleich_NATO-Russland.pdf sowie https://nie-wieder-krieg.org/bedrohungsluege/
(5) „Russia almost certainly does not want a direct military conflict with U.S. and NATO forces.“ Annual Threat As sessment of the U.S. Intelligence Community 2024, S. 14
(6) Vgl. Das 3,5%-Ziel der NATO: In jeder Hinsicht unhaltbar, IPPNW Issue Briefing – Juni 2025, https://news.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Klima/2025_Report_3_5-Ziel-der-NATO.pdf
(7) Vgl. Michael Brzoska, Wag the Dog, Zum Verhältnis von Staat und Rüstungsindustrie, https://www.greenpeace.de/publikationen/Report_Wag_The_Dog.pdf
(8) Vgl. Tom Krebs, Patrick Kaczmarczyk, Wirtschaftliche Auswirkungen von Militärausgaben in Deutschland, https://www.vwl.uni-mannheim.de/media/Lehrstuehle/vwl/Krebs/wirt._Auswirk._Militaerausgaben.pdf, sowie den Beitrag von Dierk Hirschel in diesem Band. Deutlich sichtbar ist das auch an den USA, deren Staatsverschuldung in Prozent des BIP in Folge der exorbitanten Militärausgaben – und Steuersenkungen zu gunsten der Reichen - doppelt so hoch ist wie die Deutschlands.
(9) Vgl. IW Kurzbericht 60/2025, https://www.iwkoeln.de/studien/tobias-hentze-galina-kolev-schaefer-wirtschaftliche-impulse-durch-das-steuerpaket-der-bundesregierung.html
(10) Vgl. BMF Monatsbericht Juli 2025, S. 38-43, https://www.bundesfinanzministerium.de/Monatsberichte/Ausgabe/2025/07/Inhalte/Kapitel-3-Analysen/3-3-finanzierungsbedingungen-svi.html
(11) Das Folgende beruht auf dem Entwurf vom 30.07.2025 und Bundesbank Monatsbericht https://publikationen.bundesbank.de/publikationen-de/berichte-studien/monatsberichte/monatsbericht-august-2025-962158
(12) Vgl. VdK Faktenblatt, https://www.vdk.de/assets/bundesverband/0_gemeinsam-genutzt/dokumente/btwkampagne2025_jasozial-docs/VdK-Faktenblatt_Ein_guter_Sozialstaat_ist_finanzierbar_21.01.2025.pdf
(13) Dennoch muss aus sozialer Sicht klar sein, dass Beitragsatzerhöhungen das kleinere Übel sind gegenüber den von antisozialer Seite vorgetragenen Alternativen verschärfter Leistungskürzungen und Privatisierung von Belastungen.
(14) Siehe https://gewerkschaften-gegen-aufruestung.de/



* Ralf Krämer

arbeitet als Gewerkschaftssekretär im Bereich Wirtschaftspolitik und ist aktiv in den Initiativen „Nie wieder Krieg – Die Waffen nieder!“ https://nie-wieder-krieg.org/ und „Gewerkschaften gegen Aufrüstung und Krieg“ https://gewerkschaften-gegen-aufruestung.de/ Der Text erscheint leicht redigiert im Herbst 2025 in dem Buch „Gewerkschaften in der Zeitenwende“, herausgegeben von Ulrike Eifler, im VSA-Verlag. Bearbeitete Version vom 23.08.2025. Homepage: ralfkraemer.de 





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