von Reiner Heyse*
Klare Mehrheiten: Für einen starken Sozialstaat - Höhere Beiträge für eine gute Absicherung - Nettorentenniveau von 75 % - Mindestrente von 1.327 Euro - Erwerbstätigenversicherung
Große Mehrheiten für einen starken Sozialstaat, der auch mehr kosten darf. Klare Absage an Privatisierungen. Das Schweigekartell verhindert öffentliche Debatte.
Welchen Sozialstaat wollen die Menschen in Deutschland? Wie hoch sollen Rentenleistungen sein? Wie sollen Sozialleistungen finanziert werden? Zu diesen Fragen gibt es sehr eindeutige Willensbekundungen in der Bevölkerung. Eine repräsentative Umfrage unter 3.000 Personen über 18 Jahren brachte klare und teilweise überraschende Ergebnisse*. Die Überraschung liegt in der Deckungsgleichheit unseres RentenZukunft-Reformkonzepts mit dem Willen der Mehrheit in diesem Land.
Keine Überraschung ist, dass der Wille der Mehrheit von den politischen Verantwortlichen und den Hauptmedien völlig ignoriert und verschwiegen wird. Stattdessen wird das Gegenteil zum Regierungsprogramm. Die Vorstände der großen Interessenvertretungen von Gewerkschaften und Sozialverbänden ducken weg. Teilweise blockieren sie sogar klare Reformforderungen.
… die staatlich organisiert ist. Lediglich 15 % wollen ein Mindestmaß bis gar keine verbindliche soziale Sicherung und setzen eher auf private Vorsorge.
Grafikquelle: SoRa 1/2025 – SozialstaatsRadar
… das sagen vor allem junge Menschen. Befragt wurden sozialversichert Beschäftigte, inclusive Auszubildende. Diese klare Mehrheit bezieht sich sowohl auf die Renten-, die Kranken- und die Pflegeversicherung. Dass gerade junge Menschen bereit sind, höhere Beiträge für die Altersvorsorge auszugeben, wird durch zahlreiche Umfragen der letzten Jahre ständig bestätigt. Natürlich wird dafür eine sichere und höhere Rente erwartet.
Grafikquelle: SoRa 1/2025 – SozialstaatsRadar
… sagt im Mittel die Bevölkerung. Oberhalb der Hälfte (des Medians) wird sogar ein höheres Niveau für angemessen gehalten. Gefragt wurde nach dem Nettorentenniveau zu dem im Arbeitsleben erzielten Nettolohn. Man spricht dann von der Nettoersatzrate. Die beträgt in Deutschland aktuell 56 Prozent ** (zum Vergleich: in Österreich 87 Prozent). Erstaunlich ist, dass auch bei der abgefragten Parteipräferenz der Befragten keine großen Unterschiede erkennbar sind.
Grafikquelle: SoRa 1/2025 – SozialstaatsRadar – 75% Linie vom Autor eingezogen
… wurde für erforderlich gehalten. Auf die Frage, wie hoch die Mindestrente sein müsste, wurden zwar sehr unterschiedliche Beträge benannt. Der errechnete Durchschnitt traf dann aber nahezu auf den Euro genau die Armutsgefährdungsschwelle des Jahres 2023. Die Armutsgefährdungsschwelle wird jährlich durch destatis berechnet. Sie beträgt nach internationaler Konvention 60% der mittleren (Median-) Nettoeinkommen eines Landes. Die entsprechende Armutsschwelle 2023 betrug genau 1.320 Euro.
…. sowohl in der Renten-, der Kranken- und der Pflegeversicherung. In der Erwerbstätigenversicherung wären auch Beamte, Selbständige und Politiker versichert. In der Bürgerversicherung würden zusätzlich Einkünfte aus Kapitalerträgen beitragspflichtig.
Zusätzlich äußerten Mehrheiten der Befragten sich für die Aufhebung bzw. Anhebung der Beitragsbemessungsgrenzen in den drei Versicherungszweigen. Damit soll ein solidarischer sozialer Ausgleich ermöglicht werden (starke Schultern tragen mehr als schwache Schultern).
Grafikquelle: SoRa 1/2025 – SozialstaatsRadar
… werden solche Umfragen mit starken Willensbekundungen der Betroffenen so gründlich verschwiegen? Die Ergebnisse stehen im krassen Gegensatz zu den in den dominanten Medien verbreiteten Behauptungen. Gerade die Antworten der jüngeren Befragten stellen die üblichen Klagen der Vertreter der „Jungen“ bzw. „besorgter“ Wissenschaftler auf den Kopf. In Talk-Shows ereifern sich Jungunternehmer und Jungpolitiker über die unerträglichen Belastungen der Jungen durch die Rentner und behaupten, von den Journalisten nicht hinterfragt, die umlagefinanzierte Rente wäre am Ende, es helfe nur noch Zukunftssicherung über Finanzanlagen.
Auf das „Warum?“ gibt es wohl nur eine plausible Antwort: Die Umsetzung des Mehrheitswillens in der Bevölkerung würde die Profitinteressen der großen Finanzkonzerne und Unternehmensverbände erheblich stören. Verschweigen und Vernebeln von Meinungen verhindert die Verständigung unter den Betroffenen. Eine gesellschaftsweite Diskussion über diese elementaren Fragen wird damit unterbunden. Demokratie sieht anders aus, siehe das Beispiel Schweiz (Gegen demokratiefeindliche Extremisten – von der Schweiz lernen!).
… aber nur selektiv. Außer in den Gewerkschafts- und Sozialverbänden-Publikationen hat kein Presseorgan über die Ergebnisse des Sozialstaats-Radar berichtet. Dabei verkürzen die Gewerkschafts- und Sozialverbands-Artikel die Umfrageergebnisse. Die geforderten 75 Prozent Nettoersatzquote und die Mindestrente in Höhe von 1.327 Euro werden nicht einmal erwähnt.
Der Grund dürfte darin liegen, dass das von den Verbänden geforderte Rentenniveau von 50 bis 53 Prozent (vor Steuerabzug) meilenweit von den Mehrheitsforderungen entfernt liegen. Die Forderung nach Mindestrenten wird erst gar nicht erhoben, man begnügt sich mit einer leichten Erhöhung der Grundrente, die dann immer noch einiges unter der Armutsgefährdungsschwelle liegen würde.
Im Jahr 2016 stellte der DGB-Bundesvorstand seine rentenpolitischen Forderungen unter das
„Ziel: Politische Anschlussfähigkeit insbesondere bei den großen Parteien herstellen.“
Das ist eine Ausrichtung, die offensichtlich bis heute das Handeln der Gewerkschaftsvorstände dominiert. Wenn die Interessenvertretung der Mitglieder dem Willen der Parteizentralen untergeordnet wird, hat das fatale Auswirkungen. Mitglieder fühlen sich nicht mehr vertreten und treten aus, andere treten gar nicht erst ein.
Das Desaster dieser Art Vertretungspolitik zeigt sich auch im Folgenden: Nach der Bundestagswahl im Februar gibt es im Parlament nur noch eine Partei, die „Renten wie in Österreich“ im Wahlprogramm hatte: das ist die AfD. Das BSW mit dieser Forderung im Programm hat die 5%-Hürde bis jetzt nicht geschafft, die LINKE hat die vorher von ihr vertretene Forderung „vergessen“ (pflegt stattdessen die völlig unzureichende Forderung nach 53 Prozent Rentenniveau).
Die „Renten wie in Österreich“ entsprechen weitgehend den Forderungen der großen Mehrheit aus dem Sozialstaats-Radar 2025. Wer ernsthaft den Aufstieg der AfD verhindern will, muss mehr unternehmen, als „gegen Rechts“ zu demonstrieren. Der bzw. die muss endlich die Bedürfnisse der großen Mehrheit in der Bevölkerung ernst nehmen und sie zum politischen Programm machen. Das gilt vor allem für die Gewerkschaften und die Parteien, die es ernst mit der Demokratie meinen.
* Reiner Heyse, Nachrichteningenieur, war langjähriges Tarifkommissionsmitglied in der IG Metall und Betriebsrat in einem mittelständischen Betrieb in Kiel. Weitere, äußerst sachkundige Beiträge zum Thema Rente unter seniorenaufstand.de, wo auch dieser Artikel zu finden ist
von Helmuth Weiss
10.01.2025
In Bremen lässt es sich eigentlich gut leben. Zumindest werden das viele bezeugen, wenn sie in der Öffentlichkeit gefragt werden. Und es stimmt auch: Bremen ist eine liebens- und lebenswerte Stadt. Doch für viele gilt das nicht, für sehr viele sogar.
von Roman Fabian
Die Schließung des Klinikums Links der Weser ist eine falsche politische Entscheidung. Die Koalitionspartner – SPD, Grüne und Linke - haben sich am Anfang der Legislaturperiode von der Geschäftsführung der Gesundheit Nord ein erhebliches Einsparpotential durch die Schließung des Klinikums Links der Weser vorgaukeln lassen.
von Walter Ruffler
In Bremen gibt es eine Debatte um die Umbenennung der Langemarckstraße in Georg-Elser-Allee. Dagegen wehren sich nicht nur die unmittelbaren Anwohner, die sich von der Politik übergangen fühlen. Eine Petition dagegen kann unterschrieben werden. Wir dokumentieren im Folgenden zwei gegensätzliche Stellungnahmen dazu, von Walter Ruffler sowie eine Pressemitteilung der Linken.
weiter lesen...von Roman Fabian
Der Aufsichtsrat kannte nicht alle Papiere !
weiter lesen...
In Bremen soll die Abgeordnetenrente „auf ein neues Fundament“ gestellt werden. Sehen wir uns einmal an, was dazu bislang bekannt ist.
Kaum ein Bundesland hat prozentual so viele Niedriglöhner, Langzeitarbeitslose und Hartz-IV-Bezieher wie Bremen. Die Corona-Maßnahmen der Bundes- und Landesregierung haben das dramatisch verschlimmert. In einigen Ortsteilen leben über 50% aller Kinder in Familien mit Hartz IV-Bezug. Auch die seit 2019 regierende SPD/Grüne/Linke Regierungskoalition hat den Trend nicht aufgehalten. Die Zahl der registrierten Langzeitarbeitslosen in SGB II und III Bezug in Stadt Bremen stieg von April 2020 bis April 2021 um 30,3 Prozent. Die Zahl der Arbeitslosen Hartz-IV-Bezieher stieg um 8,2 % im gleichen Zeitraum. Und gleichzeitig steigen die Mieten und verschlingen für viele bereits 40% oder noch mehr ihres Einkommens. weiter lesen...