Stoppt endlich die Verdummung!

von Holger Balodis und Dagmar Hühne
23.06.2021



In den jüngsten Tagen ploppte das Thema Rente allerorten hoch: „Rente mit 68“ (Wissenschaftlicher Beirat im Wirtschaftsministerium), „Rente mit 70“ (Institut der Deutschen Wirtschaft), „Aktienrente“ (FDP) oder „Bürgerfonds“ (Grüne). Wie ein Mantra zieht sich dabei der Kampfbegriff „Generationengerechtigkeit“ durch alle Medien. Suggeriert wird: die gesetzliche Rente packt es nicht mehr. Zu wenig Junge, zu viele Alte. Drastische Maßnahmen sind angeblich nötig. Länger arbeiten, weniger Rente, mehr Aktieninvestments – am besten alles zusammen. So erklären es Axel Börsch-Supan und Bernd Raffelhüschen als Experten und nahezu alle plappern es nach. So auch geschehen in der ARD-Sendung ‚Presseclub’ am vergangenen Sonntag. Leider werde es – so wurde dort beklagt - diese „notwendigen“ Maßnahmen aber nicht geben, weil sich in dieser „Rentnerrepublik“ gegen den Willen der überwiegend alten Wähler kaum etwas durchsetzen lasse.

Ja, hört denn diese gnadenlose Verdummung nie auf? Bereits in den vergangenen 30 Jahren wurden durch Absenkungen des Rentenniveaus und massive Verschlechterungen im Rentenrecht die Ansprüche der Versicherten um fast 40 Prozent zusammengestrichen. Von Massenprotesten der Bevölkerung keine Spur.

Dabei hätte es hierfür allen Grund gegeben: Die Renten lägen ohne diese Einschnitte für langjährig Versicherte (mindestens 35 Beitragsjahre) nicht wie heute bei rund 1.200 Euro, sondern bei rund 2.000 Euro. Und das ist auch finanzierbar. Natürlich reichen dafür nicht die kümmerlichen 9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, die aktuell in die deutschen Renten fließen. Nachbarländer wie Dänemark, Österreich oder Frankreich machen es vor: sie geben 13 bis 15 Prozent für die Rente aus. Derweil gehen immer größere Teile der deutschen Bevölkerung in Richtung Altersarmut.

Würden die älteren Wähler tatsächlich von ihrer Macht Gebrauch machen, so müsste eigentlich DIE LINKE einen grandiosen Sieg bei der Bundestagswahl davontragen. Die verspricht nämlich eine Anhebung des Rentenniveaus und eine Mindestrente von netto 1.200 Euro, was für alle heutigen und künftigen Rentner eine erhebliche Verbesserung wäre. Doch es ist nicht damit zu rechnen, dass die ältere Hälfte der Bevölkerung links wählt. Stattdessen glauben viele den Unsinn mit der angeblich fehlenden Generationengerechtigkeit. Dabei ist die umlagefinanzierte Rente in Wahrheit keineswegs zum Schaden der Jungen. Sie werden dort auch weiter eine positive Rendite erzielen und diese Rendite wäre noch wesentlich höher, hätte es die politisch motivierten Renteneinschnitte nicht gegeben. Die Überlastung der Jungen liegt vielmehr in dem Unsinn, sie quasi zur Einzahlung in die private Vorsorge (Riester) und eine weitgehend selbst finanzierte Betriebsrente (Entgeltumwandlung) zu drängen. Da hier die Arbeitgeber fast nichts beitragen, führt das, was Rürup, Raffelhüschen & Co den Jungen hier eingebrockt haben fast zu einer Verdoppelung ihrer Beitragslast. Doch darüber reden die Lobbyisten nicht.

Der bessere Weg wäre, die gesetzliche Rente deutlich zu stärken: Eine armutsfeste Mindestrente, deutlich höhere Renten für alle, eine faire Beteiligung von Beitragszahlern, Arbeitgebern und Staat. Und vor allem: alle Erwerbstätigen müssten einzahlen, auch Beamte, Selbstständige, Freiberufler und Politiker. Dann wäre das Märchen von den fehlenden Beitragszahlern sofort vom Tisch.

Und noch etwas: wir brauchen weder eine Rente mit 68 noch eine mit 70 Jahren. Mit solchen Forderungen soll die Bevölkerung nur weiter mürbe gemacht werden, damit sie weitere Kürzungen hinnimmt. Vermutlich mit Erfolg.


Letzte Veröffentlichungen:
Holger Balodis und Dagmar Hühne: Rente rauf! So kann es klappen, DVS Verlag, 204 Seiten, 18 Euro (ISBN 978-3-932246-98-2), jetzt die leicht überarbeitete 2. Auflage

Mehr zur Rente

Grundrente - Der vermaledeite Meilenstein

Die 2021 eingeführte Grundrente ist mitnichten eine Mindestversorgung auf existenzsicherndem Niveau. Schlimmer noch: Sie wird nur in wenigen Fällen dazu führen, dass Renter*innen mehr haben als das, was Grundsicherungsbezieher*innen zusteht. Damit ist das, was als Respekt für die Lebensleistung gedacht war, glatt gescheitert.
Weiter lesen...


Der Rentenbetrug geht weiter. Die Alterssicherung unserer Abgeordneten.

Die Koalition hat im November 2019 das Konzept für eine Grundrente vorgelegt. Sehen wir uns in diesem Zusammenhang einmal die Altersbezüge derjenigen an, die in der Politik über die Rentenhöhe der Mehrheit der Bevölkerung entscheiden.
Weiter lesen...


Krise der privaten Altersvorsorge

Sowohl die Betriebsrenten als auch die private Vorsorge mit Lebensversicherungsprodukten, also die zweite und dritte Säule der Altersvorsorge, funktionieren offenbar nicht, jedenfalls nicht so, wie man uns das seit 20 Jahren erzählt hat.
Weiter lesen...