Wir sind weltspitze

von Holger Balodis
15.03.2022



Aktuell ist jeder fünfte Rentner arm. Über 20 Prozent haben inklusive aller Nebeneinkommen laut Destatis weniger als 1.173 Euro im Monat zur Verfügung. Diese Quote wird schon bald deutlich steigen. Und betroffen werden davon vor allem Frauen sein. Altersarmut ist weiblich. Die Gründe liegen auf der Hand. Erstens: Frauen verdienen im Durchschnitt noch immer schlechter als Männer. Ihre Stundenlöhne liegen 18 Prozent niedriger (Gender Pay Gap). Zweitens: Frauen arbeiten sehr häufig in Teilzeit, was ihre Rolle in dem streng einkommensorientierten Rentensystem weiter verschlechtert. Drittens: Sie bringen im Schnitt fünf Versicherungsjahre weniger ein als Männer.

Dabei arbeiten Frauen nicht etwa weniger, sondern mehr als Männer, nur wird diese sogenannte Care-Arbeit für die Familie nicht entlohnt und zählt deshalb für die Rente nicht. Bittere Konsequenz: Nirgendwo im Ländervergleich zwischen den entwickelten Industrieländern (OECD) ist der Gender-Pension-Gap, also die Lücke zwischen den Alterseinkommen der über 65-jährigen, so groß wie bei uns. Die OECD ermittelte inklusive der privaten Rentenzahlungen und Hinterbliebenenrenten einen Nachteil der Frauen in Höhe von fast 46 Prozent! Mit anderen Worten: In Sachen Benachteiligung der Frauen im Alter ist Deutschland tatsächlich weltspitze. Besser machen es tendenziell die Staaten in Ost- und Nordeuropa. Dänemark glänzt beispielsweise mit einer Lücke von nur 8 Prozent.

Wollen auch wir besser werden, so müssten wir gleich an mehreren Stellschrauben drehen. Einige Beispiele:

1. In der gesetzlichen Rente brauchen wir mehr sozialen Ausgleich. Geringe Einkünfte müssen besser bewertet werden und eine angemessene Mindestrente muss dafür sorgen, dass niemand nach jahrzehntelanger Arbeit in die Armut rutscht.

2. In den Unternehmen darf eine Babypause nicht quasi automatisch zum Karriereknick führen. Derzeit bewegen sich viele Frauen im Gleichschritt mit den gleichaltrigen Männern, bis die Geburt des ersten Kindes sie jäh stoppt. Danach erreichen sie nur selten wieder den Gehalts- und Karrierepfad der männlichen Kollegen.

3. Durch steuerliche Regelungen wie Ehegattensplitting und der Zuweisung der ungünstigen Steuerklasse 5 an die weniger verdienende Frau wird das traditionelle Rollenbild der bloßen Dazuverdienerin gefestigt.

Was wir brauchen ist also eine Mischung aus echter Chancengleichheit und einem funktionierenden Sozialausgleich, wo Frauen gehindert sind, ein gutes Einkommen zu erzielen. So lange Frauen weniger verdienen und durch Familienarbeit Nachteile erleiden, dürfen wir in der Rente nicht allein aufs Äquivalenzprinzip vertrauen. Die Gelder hierfür sind vorhanden.


Letzte Veröffentlichung des Autors: Holger Balodis und Dagmar Hühne: Rente rauf! So kann es klappen, DVS Verlag, 204 Seiten, 18 Euro (ISBN 978-3-932246-98-2) Sie bekommen das Buch schnell und portofrei entweder direkt über uns (balodis@vorsorgeluege.de) oder den Frankfurter DVS-Verlag (http://www.dvs-buch.de/).

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